Würdigung der Pflegekräfte in Einrichtungen für Menschen mit mehrfacher Behinderung

In Rüsselsheim gibt es zwei Wohnstätten für Menschen mit Einfach- und Mehrfachbehinderung, das Herta-Max-Haus in der Innenstadt und die Wohnstätte Inselhof im Stadtteil Königstädten. Durch meine ehrenamtliche Tätigkeit im Verein Lebenshilfe Rüsselsheim e.V. erlebe ich die Arbeit und Belastung der dort Tätigen hautnah. Es ist an der Zeit, diese gesellschaftlich so wichtige Gruppe in den Mittelpunkt der Betrachtungen von www.psycho-med-news.de zu stellen.

Würdigung der Pflegekräfte in Einrichtungen für Menschen mit mehrfacher Behinderung

Pflegekräfte im Allgemeinen in Deutschland leisten tagtäglich Außergewöhnliches. Ihre Arbeit erfordert nicht nur physische Belastbarkeit und psychische Stabilität, sondern auch eine hohe soziale Kompetenz und Empathie. Besonders herausfordernd ist der Berufsalltag in Einrichtungen, die Menschen mit mehrfacher Behinderung betreuen. Hier treffen die Pflegekräfte auf eine besonders komplexe Gruppe von Menschen, deren Bedürfnisse oft weit über die klassische Grundpflege hinausgehen.

Körperliche und psychische Belastungen im Pflegealltag: Die Arbeit in Einrichtungen für Menschen mit mehrfacher Behinderung stellt enorme körperliche Anforderungen. Pflegekräfte müssen oft Menschen, von denen manche zum Teil bewegungsunfähig sind, mobilisieren, transferieren oder bei alltäglichen Verrichtungen wie der Körperpflege, dem Essen oder der Fortbewegung unterstützen. Dabei geht es nicht selten um mehrere Stunden häufig wiederholter Hebe- und Tragbewegungen. Diese physische Belastung wird oft durch unzureichende ergonomische Arbeitsbedingungen verstärkt, da die Ausstattung der Häuser mit Transport- und anderen Hilfsmittel oft unzureichend ist. Trotzdem die Pflegenden ihrem Gegenüber immer auf Augenhöhe zu begegnen. Sie zeigen Empathie und Respekt.

Auf der psychischen Ebene erfordert der Beruf ein hohes Maß an Resilienz. Viele Menschen mit mehrfacher Behinderung können ihre Bedürfnisse oder Schmerzen nicht verbal kommunizieren. Die Pflegekräfte müssen über feine Beobachtungsgabe und Geduld verfügen, um auf nonverbale Signale einzugehen. Hinzu kommen oft herausfordernde Verhaltensweisen, die aus den Behinderungen resultieren können. Das emotionale Gewicht des Berufs wird durch den Umgang mit Leid, Krankheit und in vielen Fällen auch dem Tod verstärkt.

Mangelnde Wertschätzung: Obwohl Pflegekräfte in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen eine zentrale Stütze unserer Gesellschaft darstellen, erfahren sie oft zu wenig Wertschätzung. Die öffentliche Wahrnehmung des Pflegeberufs konzentriert sich häufig auf Altenpflege oder Krankenhäuser, während die spezifischen Herausforderungen der Behindertenhilfe weniger sichtbar sind.

Dazu kommt die prekäre personelle Situation. Der Fachkräftemangel ist auch in dieser Branche spürbar und führt dazu, dass die vorhandenen Pflegekräfte oft über ihre Belastungsgrenze hinaus arbeiten müssen. Dieser dauerhafte Stress hat nicht selten Burnout oder andere psychische Erkrankungen zur Folge. Hinzu kommt, dass die Bezahlung häufig nicht annähernd der Verantwortung und Leistung entspricht, die der Beruf erfordert. In vielen Fällen fehlt es auch an Fort- und Weiterbildungsangeboten, die den Pflegekräften helfen könnten, besser mit den komplexen Anforderungen umzugehen.

Die Bedeutung von Anerkennung und Respekt: Die Opferbereitschaft und Hingabe der Pflegekräfte verdient höchste Anerkennung. Es ist bemerkenswert, wie diese Menschen täglich eine Balance zwischen fachlicher Kompetenz und menschlicher Nähe schaffen. Pflegekräfte geben oft mehr, als ihr Arbeitsvertrag verlangt – sei es durch zusätzliche Arbeitsstunden, die Übernahme emotionaler Verantwortung oder den Aufbau von vertrauensvollen Beziehungen zu den Bewohnerinnen und Bewohnern.

Um diese Leistungen zu würdigen, bedarf es mehr als bloßer Lippenbekenntnisse. Vertreter von Politik und Verwaltung müssen den Pflegekräften nicht nur öffentlich Respekt zollen, sondern auch strukturelle Verbesserungen schaffen. Dazu gehört eine faire Bezahlung als angemessene Vergütung, die den hohen Anforderungen und der gesellschaftlichen Bedeutung des Berufs entspricht. Dazu gehören bessere Arbeitsbedingungen wie Investitionen in ergonomische Arbeitsmittel, ausreichende Personalschlüssel und Pausenregelungen.  Dazu gehören Fortbildung und psychologische Unterstützung, um die Pflegekräfte auf emotionaler und fachlicher Ebene zu stärken.  Dazu gehören gesellschaftliche Wertschätzung durch Kampagnen, die die Bedeutung dieses Berufsfeldes sichtbar machen und Stereotype abbauen.

Ein Appell an die Gesellschaft: Pflegekräfte in Einrichtungen für Menschen mit mehrfacher Behinderung sind stille Heldinnen und Helden des Alltags. Ihre Arbeit verdient höchsten Respekt, nicht nur durch warme Worte, sondern auch durch konkrete Maßnahmen. Politik, Verwaltung und Gesellschaft sind gleichermaßen gefragt, diesem unverzichtbaren Berufsfeld die Anerkennung und Unterstützung zukommen zu lassen, die es dringend benötigt. Nur so können wir sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen auch weiterhin eine hochwertige, respektvolle und menschliche Pflege erhalten. Ehrenamtliches Engagement in Vereinen, die sich um diese Menschen und Einrichtungen kümmern, sind Ausdruck der gesellschaftlichen Anerkennung der dort Pflegenden, Anerkennung und Respekt, der über die reinen materiellen Zuwendungen hinausgeht.

(Der Verfasser ist Mitglied im Vorstand des Vereins Lebenshilfe Rüsselsheim e.V. Der Zweck des Vereins besteht darin, Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung zu unterstützen, um ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben zu ermöglichen. Zudem setzt sich der Verein für ein besseres öffentliches Verständnis ihrer Belange ein. Dies wird durch die Förderung ihrer Teilnahme an Sport, kulturellen Aktivitäten und inklusiven Veranstaltungen sowie durch Unterstützung entsprechender Einrichtungen verwirklicht.)